Rei – der Gruss

Ich kann mir vorstellen, dass sich der eine oder andere Gast, der ein Trainingsbeginn oder ein Trainingsende im Judo oder Ju Jitsu beobachtet, fragt: „Was machen die denn da?“ Für „Nicht-Budokenner“ mag unser Grussritual auf den ersten Blick etwas Amüsantes haben. Wenn wir uns zu Beginn des Trainings alle, geordnet nach Gürtelfarbe, in einer Reihe aufstellen, uns zuerst auf das linke, dann auf das rechte Knie niederlassen, die grossen Zehen übereinanderlegen und uns sachte setzen, um schlussendlich zum traditionellen Gruss (Rei) überzugehen, machen wir nicht etwas Lustiges, sondern etwas Wichtiges. Sicher, wir sind alles freundliche Menschen und sich Grüssen ist ein wesentlicher Bestandteil der zwischenmenschlichen Beziehungen in allen Kulturen, eine Tradition. Aber im Budo geht der Sinn noch etwas tiefer. Kein Training beginnt ohne Begrüssungsritual, kein Training endet ohne Gruss. Wir tun dies, um das bevorstehende Training gut und ohne Verletzungen zu absolvieren und um dem Trainer und den Trainingspartnern unseren Respekt auszudrücken. In unserem Alltag beschäftigen uns sehr viele unterschiedliche Dinge. Unser Kopf ist mit unserem Alltag vollgepackt. Wenn wir allerdings unseren Kampfsport/unsere Kampfkunst trainieren, müssen wir uns voll und ganz auf die bevorstehende Trainingseinheit konzentrieren können. In der kurzen Zeit, welche uns zwischen „Mokuso“ (die Augen werden geschlossen), „Mokuso Yame“ (die Augen werden wieder geöffnet) und „Rei oder Sensei ni rei“ (Verbeugung) zur Verfügung steht, stellen wir uns geistig auf das bevorstehende Training ein und streifen den Alltag ab. Jetzt sind wir bereit, alle Aufmerksamkeit auf das Training und unsere Trainingspartner zu richten. Der Gruss könnte also zum einen als Verletzungsprophylaxe bezeichnet werden, zum anderen drücken wir damit unsere Achtung voreinander aus. So zieht sich das Grüssen von Beginn bis zum Ende wie ein roter Faden durch das Training. Auch vor und nach jedem „Kampfkontakt“ verbeugen sich die Trainingspartner voreinander. Mit dieser Verbeugung soll dem Partner jedes Mal signalisiert werden, dass man ihn achtet, man sich an die Regeln halten wird und man ihn nicht verletzen will. Am Ende des Trainings, wenn wir uns wieder alle in einer Reihe aufstellen, verabschieden wir uns zwischen „Mokuso“, „Mokuso Yame“ und „Rei oder Sensei ni rei“ vom Training, dem Trainer und den Trainingspartnern und finden uns mit unseren Gedanken wieder im Alltag ein.

Aber wieso hat man im Budo als Gruss die Verbeugung gewählt? Im Internet habe ich die These gelesen, dass eine verschwitzte und ungewaschene Hand zu schütteln, welche auch immer wieder mit der Matte in Berührung kommt (und auf dieser Matte tummeln sich bekanntlich ganz viele nackte Füsse), für einen Japaner das komplette Gegenteil seiner Auffassung von Hygiene wäre. Verbeugen ist also um einiges hygienischer, als sich die verschmutzten Hände zu reichen J.

Simone

Kommentar hinterlassen